Künf­ti­ge Lösun­gen für den Rohstoffmangel?

Das HIT trägt mit seinem Automations- und KI-Ansatz zur Entwicklung neuer Produkte bei.

Hoch­schu­le Nie­der­rhein leis­tet Bei­trag zu den Herausforderungen

Lie­fer­eng­päs­se und Fach­kräf­te­man­gel — kei­ne ande­ren Her­aus­for­de­run­gen berei­ten der hie­si­gen Wirt­schaft so gro­ße Pro­ble­me. Der Bau­bran­che feh­len unter ande­rem Stahl, Holz und Dämm­ma­te­ri­al. Die Halb­lei­ter-Kri­se macht ins­be­son­de­re den Auto­her­stel­lern zu schaf­fen. Aber auch den End­ver­brau­chern — sie müs­sen lan­ge war­ten und nicht sel­ten mehr zah­len als frü­her. Was in der brei­ten Öffent­lich­keit bis­lang weni­ger bekannt ist: betrof­fen sind auch Far­ben und Lacke. „Bei die­sen Pro­duk­ten han­delt es sich um teils kom­ple­xe Kom­po­si­tio­nen aus ver­schie­de­nen Roh­stof­fen“, erklärt Prof. Dr. Jost Göt­tert, Direk­tor des Insti­tuts für Ober­flä­chen­tech­nik (HIT) an der Hoch­schu­le Nie­der­rhein. Und die­se Roh­stof­fe wer­den aus Län­dern rund um den Glo­bus impor­tiert — auch aus Russ­land und China.

„Bei einer Kri­sen­la­ge, wie wir sie der­zeit erle­ben, feh­len der hie­si­gen Farb- und Lack­in­dus­trie plötz­lich wich­ti­ge Kom­po­nen­ten. Oder sie lie­gen in abwei­chen­den, nicht sel­ten schlech­te­ren Qua­li­tä­ten vor.“ Ein posi­ti­ver Neben­ef­fekt: Der Druck hin zu einer ver­stärk­ten Kreis­lauf­wirt­schaft bzw. zum ver­stärk­ten Ein­satz von nach­wach­sen­den Roh­stof­fe (sowie von mit die­sen her­ge­stell­ten Ver­bund­werk­stof­fen) nimmt zu. Klar ist jedoch: Die Unter­neh­men müs­sen ent­spre­chend reagie­ren und ihre Rezep­tu­ren anpas­sen. Doch genau hier begeg­net ihnen eine wei­te­re gro­ße Her­aus­for­de­rung: der Man­gel an hoch­spe­zia­li­sier­ten Fachkräfte.

Zur Lösung oder zumin­dest Abmil­de­rung sol­cher Her­aus­for­de­rung könn­ten künf­tig der Fach­be­reich Che­mie und das HIT im Zusam­men­spiel einen wich­ti­gen Bei­trag leis­ten. Der Fach­be­reich bil­det durch sein Lehr­an­ge­bot das drin­gend benö­tig­te Per­so­nal aus. Und das HIT trägt mit sei­nem Auto­ma­ti­ons- und KI-Ansatz zur Ent­wick­lung neu­er Pro­duk­te bei. Davon sind Jost Göt­tert und sein Team über­zeugt. Im Fokus steht dabei das am Insti­tut ent­wi­ckel­te Kon­zept iHIT Solu­ti­on Engi­ne. Es ver­bin­det wesent­li­che Zukunfts­tech­no­lo­gien, die unter den Schlag­wor­ten Auto­ma­ti­sie­rung, Algo­rith­mus, Machi­ne Lear­ning und Digi­ta­ler Zwil­ling bekannt sind. Mit die­sem „digi­tal unter­stütz­ten Lösungs­an­satz“ wird die „Digi­ta­le Welt“, also Daten und Model­le, mit der „ech­ten Che­mie“ ver­bun­den und lie­fert den For­sche­rin­nen und For­schern schnell und effi­zi­ent neue Erkenntnisse.

„Die­se Metho­de kom­bi­niert die Mög­lich­kei­ten von Auto­ma­ti­on und Modell­bil­dung mit der Inno­va­ti­on und dem fach­li­chen mensch­li­chen Wis­sen“, sagt Jost Göt­tert. Unter der rich­ti­gen Anlei­tung und Bedie­nung kön­nen Ent­wick­lungs­pro­zes­se deut­lich beschleu­nigt und opti­miert wer­den. Im kon­kre­ten Fall des Roh­stoff­man­gels bei Far­ben und Lacken könn­te dies bedeu­ten, dass ein bewähr­tes Pro­dukt mit­tels einer rasch abge­wan­del­ten Rezep­tur erhal­ten blei­ben kann. Oder dass ein ganz neu­es Pro­dukt mit bes­se­ren Eigen­schaf­ten mit Hil­fe der daten­ge­trie­be­nen Model­lie­rung ent­steht. Der Ein­satz der Tech­no­lo­gie setzt zugleich Res­sour­cen frei, die drin­gend an ande­rer Stel­le gebraucht wer­den. „Die­ser digi­ta­le Kol­le­ge stellt kei­ne Gefahr für Jobs in der che­mi­schen Indus­trie dar“, betont der Insti­tuts-Direk­tor. „Eher wer­den dadurch neue geschaffen.“

Für ihn bie­tet das HIT per­spek­ti­visch eini­ge Mög­lich­kei­ten, sich regio­nal ein stück­weit unab­hän­gi­ger zu machen. „Der Kon­flikt um Öl und Gas führt uns dra­ma­tisch vor Augen, wie wich­tig ver­läss­li­che Roh­stoff­quel­len sind.“ Über­tra­gen auf che­mi­sche Pro­duk­te könn­ten und soll­ten alter­na­ti­ve Mate­ri­al­quel­len gesucht wer­den, die zum Bei­spiel inner­halb der EU beschafft wer­den könn­ten. Im Sin­ne der Nach­hal­tig­keit führt die Opti­mie­rung der Pro­zes­se auch zu einer Scho­nung von Res­sour­cen. Hin­zu kommt der Recy­cling-Aspekt durch die Rück­füh­rung von Stof­fen in den Materialkreislauf.

„Im Moment ist vie­les noch Zukunfts­mu­sik. Aber wir arbei­ten im Fach­be­reich und im HIT inten­siv dar­an, sol­che Visio­nen in nicht all­zu vie­len Jah­ren Wirk­lich­keit wer­den zu las­sen“, so Jost Göttert.

Foto: Das HIT trägt mit sei­nem Auto­ma­ti­ons- und KI-Ansatz zur Ent­wick­lung neu­er Pro­duk­te bei. Quel­le: Hoch­schu­le Niederrhein